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Mystisch unterwegs - Jan Galega Brönnimann und die Weltmusik

Herr Brönnimann, Sie spielen mit Moussa Cissokho, einem gebürtigen Senegalesen, und Omri Hason, der ursprünglich aus Israel stammt, in einem Trio. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Omri und ich wohnen in Bern, da lernt man sich schnell kennen. Wir haben uns beim DJ-Projekt „Future Sounds Jazz“ zum ersten Mal gesehen und zusammen mit einer Sängerin ein erstes Projekt umgesetzt. Es war außerdem ein Kindheitstraum von mir, mal mit einem Musiker, der die afrikanische Stegharfe Kora spielt, zusammenzuarbeiten. So kam ich mit Moussa zusammen. Zuerst haben wir zu zweit gespielt, dann mit einer Cellistin, schließlich auch mit Omri. Das mit Omri fanden wir cool und dachten uns, es wäre schön das zusammenzuführen.

So ist die Idee für das Trio entstanden.

Genau. Meine Einstellung war von Anfang an: Wenn wir Percussion integrieren, sollte es kein Schlagzeug sein, sondern afrikanische Trommeln. Es sollte kein Jubel-Trubel-Projekt werden, sondern eher etwas Kammermusikalisches. Was Omri mit seinen Trommeln macht, passt sehr gut, weil es feinfühlig, sensibel ist. In dem Trio deckt er das Orientalische ab. Außerdem spielt er noch eine typisch afrikanische Trommel. Und dann hat er noch die Hang-Trommel, die eigentlich schweizerisch ist, aber asiatisch klingt. Es hat sich durch Ausprobieren so ergeben, dass plötzlich Einflüsse aus aller Welt in unsere Musik kamen.

Moussa Cissokhos Lieder aus dem Senegal passen auch sehr gut dazu, weil sein Gesang reich an Vokalen ist und daher sehr gut im Fluss der Musik mitschwingt. Wovon handeln die Texte eigentlich?

Die neuen Stücke von Moussa sind oft Liebeslieder. Dann gibt es eine Geschichte, wo er die Situation der Frauen beschreibt, die viel arbeiten und eigentlich die heimlichen Motore im Haushalt sind. Ein Lied stammt von seinem Vater, es ist eine Art Gute-Nacht-Lied, entstanden aus der Situation, dass die Großmutter schlafen will, aber die Kinder noch Musik machen und trommeln. Manchmal ist es auch so, dass ich ein Stück einbringe, wo ich den Titel, die Melodie und harmonische Gefüge liefere und Moussa beginnt von sich aus, etwas dazu zu singen und lässt sich dabei vom Titel inspirieren. Ein Stück, das ich komponiert habe, heißt „No border“, also praktisch „Grenzen müssen weg“. Der Gedanke war: Was in der Musik möglich ist, muss doch eigentlich auch sonst gehen. Moussa ist voll drauf eingegangen und singt dazu ein Befreiungslied.

Hat Weltmusik für Sie viel mit einer Reise zu tun? Reisen öffnen die Menschen ja in der Regel auch für andere Kulturen.

Eine Reise durchs Leben vielleicht, nicht nur geographisch, sondern auch philosophisch und natürlich musikalisch. Jeder hat seinen Stil und versucht nicht unbedingt, andere zu kopieren oder genauso zu spielen, wie es die andere Kultur machen würde. Man lässt sich von anderen beeinflussen und probiert trotzdem, das Eigene zu behalten. Das ist das Schöne an unserem Projekt: Dass drei Kulturen parallel laufen und zusammenwirken. 

Die Musik klingt sehr sanft und eingängig, die filigrane Instrumentierung versetzt die Hörer in einen beinahe meditativen Schwebezustand. War das Eure Absicht?

Die Kora ist schon ein mystisches, fast magisches Instrument. Das gefällt mir sehr gut. Daher wollte ich nichts machen, das nur knallt, keinen Afro-Beat, keinen Funk. Trotzdem haben wir Grooves, die rhythmischer, zum Teil sogar funkig sind. Aber für mich steht die Mystik der Musik im Vordergrund. 

Sind Sie schon mal in den beiden Herkunftsländern Ihrer Mitmusiker, in Israel und in Senegal, aufgetreten?

In Israel waren wir 2017, das war sehr schön. Senegal ist ein Ziel, aber im Moment spielen wir so viel, dass es sich nicht ergeben hat. Moussa würde sehr gerne mit uns in seiner Heimat auftreten.  

Wie weit sind die musikalischen Traditionen in Westafrika verbreitet, die Moussa einbringt? 

Moussa stammt ja aus einer Familiendynastie, die musikalische Traditionen seit über 1000 Jahren pflegt. Es gibt sicher noch andere Familien, die das tun, aber letztlich sind alle miteinander verwoben. Es ist die Musik, die sich vor allem über Senegal, Burkina und Mali in Westafrika verbreitet hat – das war wie ein großes Königreich. Diese Musiker-Familien, die so genannten „Griot“, haben ja auch für den König gespielt und die Geschichten überliefert. 

Die letzte Frage geht an alle drei Musiker: Welche Musiker oder Stilrichtungen gehören zu Euren musikalischen Favoriten? 

Jan Galega Brönnimann: Ich könnte jetzt sagen, es ist Stravinsky, aber es sind auch die Beatles, Björk und Fela Kuti. Ich hatte Phasen, wo ich viel Coltrane gehört habe, gerade ist es mehr Mali-Blues. Eine Weile war es Bach und Keith Jarrett. Ich bin da im Prinzip völlig offen.

Moussa Cissokho: Ich liebe meine traditionelle Musik, aber ich bin Demokrat und höre alles, auch Klassik, Funk, Rock, Pop und Afrobeat. Ich spiele selbst verschiedene Arten von Musik in fünf verschiedenen Bands. 

Omri Hason: Ich höre sehr breit, von Coltrane und Miles Davis bis zu allen Jazz-Legenden, aber auch sehr viel Weltmusik. R&B und Soul ist ein großer Einfluss und die traditionelle orientalische Musik natürlich auch.

 Interview: Oliver van Essenberg

 

Jan Galega Brönnimann wurde in Kamerun geboren. Er ist seit Jahren bekannt als innovativer Grenzgänger. Als Komponist und Instrumentalist arbeitete er mit Leuten wie Nils Petter Molvaer, Sidsel Endresen, Pierre Favre, Lucas Niggli und vielen mehr. Mit Brink Man Ship hat er sich in den letzten 17 Jahren als Bandleader einen Namen gemacht und tourte durch Europa, Afrika, Asien, Amerika und Russland, wo er an internationalen Festivals auftrat.

Moussa Cissokho ist einer der grossen Koraspieler und Sänger aus dem Senegal. Geboren und aufgewachsen in einer einflussreichen Griot-Familie wurde er früh von seinem Vater unterrichtet, reiste mit ihm und spielte traditionelle Zeremonien im Senegal, Guinea Conakry and Guinea Bissau. Moussa Cissokho gehört zur Familie der Mandinka, Staatsvolk des mittelalterlichen Mali, des größten westafrikansichen Reiches der Geschichte. Gemäß seiner Tradition erlernte er das Koraspiel, Tänze und Gesänge von Kindheit an. Heute lebt er in Österreich und spielt mit MusikerInnen aus Europa und Afrika.

Omri Hason ist in Israel geboren und aufgewachsen. Im Alter von 10 Jahren machte er seine ersten musikalischen Erfahrungen auf dem Schlagzeug. Die frühen musikalischen Impulse empfing er aus seiner nahen Umgebung, später spezialisierte er sich vorwiegend auf das Spiel der Zarb, der Darbuka und der Rahmentrommel. Seit 1986 lebt er in der Schweiz. Die rhythmisch-perkussive Farbpalette seiner musikalischen Weiterbildung wird seit 1996 durch den Unterricht beim iranischen Meistertrommler Djamchid Chemirani auf der Zarb (iranische Trommel) erweitert und durch die intensive Auseinandersetzung mit der indischen Rhythmik und ihrer Sprache in der Trommel- und Musikkultur durch wertvolle Akzente betont. Omri Hason ist Gründer von zwei Quartetten: Kedem Ensemble und Modus Quartet. Die Besetzung beider Formationen setzt sich aus Mitgliedern verschiedener Herkunft zusammen: Israel, Iran, Italien, Griechenland und Schweiz. Omri Hasons Hauptinteresse gilt dem Dialog verschiedener Kulturen und ihrer musikalischen Verbindung.